#MINDSET2030

Karolina Braun
Marketing Strategin & Designerin
01.09.2022 | Lesezeit: 5 Minuten

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5 Fragen an das ClimateTech Start-up sustamize, wie die Klimatransformation vorangetrieben werden kann.

Themen: CO2-Fußabdruck | Green Tech | Lieferkettentransparenz

 

Viola Hasani ist Mitgründerin und Customer Success Lead von sustamize. In ihrer ersten beruf-lichen Laufbahn hat sie sich auf die Beratung und Begleitung von Veränderungsprozessen, HR-IT-Einführungsprojekten und Prozess-optimierung spezialisiert. Mit dem Thema Nachhaltigkeit hat sie sich zunächst privat auseinandergesetzt, dann als COO von worldwatchers und nun treibt sie gemeinsam mit sustamize die Klimatransformation voran.

STURMundDRANG: Im Rahmen der Pariser Klimaziele hat sich die EU auf weitere Zielvorgaben bis zum Jahr 2030 geeinigt. Diese sehen ein EU-weites Treibhausgasemissions-Reduktionsziel von mindestens 40 Prozent gegenüber den Jahren 1990 bis 2030 vor. Wie kann dieses Ziel realistisch umgesetzt werden?

Viola Hasani: In 2020 wurde das Ziel sogar angepasst. Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben sich gemeinsam verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber 1990 zu senken. Aus meiner Sicht kann dieses Ziel nur durch ein Zusammenspiel von Regierung, Industrie und Privatpersonen erreicht werden.

Die Regierung sollte eine aktivere Rolle zur Schaffung von Anreizen durch Regulierung des Energiesektors und der Industrie übernehmen, um einen raschen Ausbau der erneuerbaren Energien (unter sorgfältiger Berücksichtigung der Grundsätze der Kreislaufwirtschaft) und den Rückgang der Energieversorgung aus fossilen Brennstoffen zu fördern.

Bei den Unternehmen liegt in Deutschland als eine der führenden Industrienationen natürlich der größte Hebel in der Klimatransformation. Unternehmen müssen aufwachen und erkennen, dass ein nachhaltiges Geschäftsmodell das einzig tragfähige Wachstumsmodell für die Zukunft ist. Für alle Industriesektoren bedeutet dies, dass sie ihre Treibhausgasemissionen messen und transparent machen, dass sie Verantwortung für deren Senkung übernehmen und dass sie letztendlich aktiv werden müssen. Neben der Klimaneutralität von Produkten wird es wichtig sein, Produkte und Businessmodelle neu zu denken und sie kreislauffähig zu gestalten.

 

SuD: Um das NetZero Ziel zu erreichen, müssen CO2-optimierte Produkte und Services also mit langfristigen Verhaltensänderungen seitens Konsumierenden zusammenspielen. Wie müssen wir zukünftig unser Verhalten anpassen?

Viola: Schlussendlich muss natürlich jede*r Einzelne sein*ihr Konsumverhalten hinterfragen. Tatsache ist, dass wir als Menschen aus Industrieländern mit einem enormen Treibhausgas-Fußabdruck nicht einfach so weitermachen können wie bisher. Wir werden auch in der Zukunft nicht "grün" konsumieren können.

 

SuD: Welche Rolle können dabei Unternehmen wie sustamize einnehmen?

Viola: Momentan werden Nachhaltigkeit, grüne Produkte und Klimaneutralität als Buzzwords benutzt. Doch eine klare Kennung ist leider nicht vorhanden. Wir von sustamize bieten CO2e (Anm. d. Redaktion: Carbon dioxide equivalent) Referenzdaten und Kalkulationslogiken an. Das heißt wir ermitteln eine Zahl, welche die durch das Produkt erzeugten Treibhausgase angibt und aus Gründen der Vergleichbarkeit in CO2-Werte umgerechnet wird. Damit befähigen wir Unternehmen, ihre CO2e-Footprints auf Produktebene (inklusive Lieferkette) zu messen, zu optimieren und zu managen.

Das schafft Transparenz und Diskurs und hat damit gleich zwei positive Multiplikatoreneffekte: Eine CO2-Zahl auf einzelnen Produkten allein bringt vielleicht noch nichts, doch wäre auf jedem Produkt eine CO2-Zahl angegeben, wären CO2e Footprints vergleichbar wie die Preise der Produkte. Wir entwickeln dadurch ein größeres Verständnis, was diese Zahl bedeutet, was viel oder wenig ist. Das erleichtert denjenigen, die bereits nachhaltiger leben, die Kaufentscheidungen und kann gleichzeitig andere anregen, dem Beispiel zu folgen.

 

SuD: Wie kann Green Tech helfen, Transparenz und Accountability in Unternehmen zu schaffen und hier vielleicht auch gegenüber Konsumierenden mehr Lieferkettentransparenz zu befähigen?

Viola: Denken wir die angesprochenen Probleme weiter, müssten alle Lieferanten und deren Lieferanten einen Fußabdruck berechnen, um dies dann aufzusummieren. Fakt ist, dass die großen Firmen mit der Klimatransformation starten müssen, um ihre Lieferanten zu motivieren.

Mit dem Lieferkettengesetz (2021) werden Unternehmen nun in die Pflicht genommen, ihre komplette Lieferkette zu kennen. Viele ClimateTech Start-ups setzen genau hier an und unterstützen Unternehmen dabei, die komplexe Lieferkette nachzuvollziehen. Damit bekommen Unternehmen eine Antwort auf die Frage: Wer sind meine Lieferanten und wo kommen meine Materialien/ Vorprodukte eigentlich her?

Jedoch hilft das nur bedingt bei der vollständigen Berechnung des CO2e-Footprints. Damit Unternehmen nicht erst warten müssen, dass jeder der Sub-Sub-Lieferanten einen Product Carbon Footprint (Ausdruck für die Einflussanalyse eines Produktes) liefert, braucht es qualitativ hochwertige CO2e-Referenzdaten und die richtigen Berechnungstechnologien, um die massiven Datenmengen automatisiert zu analysieren und zu aktualisieren. Sustamize setzt genau hier an und kollaboriert bspw. mit Softwareunternehmen, die bereits andere Metriken (z.B. Controlling, Einkauf) erfassen, um diese bei der Transformation zum ClimateTech Unternehmen zu unterstützen.

 

SuD: Wie kann die CO2-Literacy auch zu einem Wandel im Unternehmen vorantreiben?

Viola: Bei der Begrifflichkeit CO2-Literacy geht es in erster Linie darum, die CO2e-Auswirkungen von alltäglichen Aktivitäten bewusst zu machen. So werden möglichst viele Menschen unterstützt, die Motivation und Fähigkeit zu entwickeln, Emissionen auf allen Ebenen zu reduzieren. Da wir diese vollständige Transparenz allerdings noch nicht haben, ist es umso wichtiger, dass wir uns mit dem Thema kritisch auseinandersetzen, um wenigstens ein grobes Verständnis über unseren CO2-Footprint zu erhalten.*

Wir alle haben im Privatleben einen unglaublichen Hebel, wenn wir unser Wissen und unseren Drang nach Nachhaltigkeit auch in unser Berufsleben mitnehmen. In den nächsten Urlaub geht es mit dem Zug? Warum nicht auch jede Dienstreise mit dem Zug antreten? Zu Hause wird darauf geachtet, weniger Fleisch zu konsumieren? Warum also nicht das nächste Event vegetarisch und/oder vegan ausrichten? Ihr baut euch eine Solaranlage auf das Dach - sind eure Produktionsstätten bereits mit Solaranlagen ausgestattet? Ihr kennt euren Footprint, aber nicht den von eurem Unternehmen oder Lieferanten. Fordert diesen ein. Wir unterstützen, wo wir können.

 

* In einem vorigen Start-up, worldwatchers, haben wir deswegen auch eine CO2e-Kalkulationsapp entwickelt. Mittlerweile findet ihr die App bei 2Zero – Der CO2 Rechner.

Der Begriff Carbon Literacy wurde von der gemeinnützigen Organisation Carbon Literacy Project geprägt.

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