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Wiebke Eberhardt
New Business und Marketing Strategist
02.09.2021 | Lesezeit: 4 Minuten

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Die neue digitale Welt der Spiritualität

Wie Magick, Okkultismus und Tarot eine Generation bewegt

In Zeiten der digitalen Transformation, in denen das Gefühl der Unsicherheit und Komplexität wächst und die Weltreligionen an Anhängern verlieren, sehnen sich die Menschen nach anderen Formen der spirituellen Erfahrung – individualisiert, digital, vernetzt und in einer zeitgenössischen Ästhetik. Auf diese Art feiern seit Jahren Esoterik, Hexerei und Astrologie ein großes Comeback.

Jelena Planić hat sich im Rahmen ihrer Bachelor-Arbeit an der ZHdK dem Wunsch nach mehr Magie und Spiritualität gewidmet und in dem Sinne ein Tarot-Deck entwickelt, das übersinnliche Erfahrungen anbietet.

Die Sehnsucht nach einer tiefen seelischen Verbindung mit der Welt

Ein großer Energiewandel macht sich langsam auf der Erdkugel breit. Die Digital Natives zeigen immer mehr Interesse an einer höheren Macht und wenden sich von vorgeschriebenen Lebens- und Verhaltensmustern ab. Hollywood-Stars und Polititker lassen sich von BeraterInnen mit übersinnlichen Fähigkeiten lenken. Vom „Guten Karma“ hört man überall. Wissenschaft und Logik reichen vielen nicht mehr aus, um die Welt, die wir kennen, und uns selber zu verstehen.

In einer Welt, in der alles messbarer wird, entsteht der Wunsch und das Streben nach individuellem Glück und Holistic Health, dem Einklang von Verstand, Körper, Geist und Emotionen. Die New Age-Spiritualität deckt diesen Wunsch und das Verlangen nach Harmonie und Balance ab. Insbesondere die jungen Leute sehnen sich nach einer solchen individuellen, tieferen, seelischen Verbindung mit der Welt und dem Universum und wollen ihr Bewusstsein erweitern.

Spiritualität, Mystik und Okkultismus im Internet

Inspiriert durch die Identifikationsfigur der Frauenbewegung aus den 70er Jahren, kehrt die „Hexe“ in neuer, vernetzter Form zurück. Sie ist, wie auch bspw. Kristalle, Meditation, Astrologie und Schamanismus Teil der angesprochenen New Age-Spirituality. Auf Instagram gut sichtbar erfreuen sich Wiccas und dergleichen wachsenden Followerzahlen, während Astrology-Memes und -Apps durch die Decke gehen und Ausverkäufe des Posterbestands der Edelsteinmuseen des Landes regelmäßig gut besucht sind.

Besonders das Lesen von Tarot-Karten gewinnt im digitalen Zeitalter an großer Bedeutung. Auf diversen Plattformen, am präsentesten auf Youtube, werden aufgezeichnete Kartenlesungen hochgeladen, die entweder ein magisches Erlebnis anbieten oder das selbstständige Kartenlesenlernen vermitteln.

Die gelegten Tarot-Karten dienen als Guide und vermitteln ein Gefühl von Sicherheit in schwierigen Lebenssituationen. Sie werden genutzt, um nach Antworten auf individuelle Fragen zu suchen und gewähren einen Einblick in mögliche Zukunftsszenarien. Tarot diktiert niemandem Wege, sondern dient nur als Orientierungshilfe, um positivauswirkende Optionen zu erkennen und schlechte Entscheidungen zu umgehen. Man ist aber stets noch der Schöpfer seiner eigenen Realität. Tarot wirkt in dem Sinne wie ein reflektierender Spiegel. Jegliche Messages, die die Karten offenbaren, sind eigene Interpretationen und Erkenntnisse, welche die Kartenlegerin oder der Kartenleger aus seiner individuellen Lebenssituation zieht. Ob Gefühl oder Gedanke - Tarot kitzelt aus der Leserin oder dem Leser heraus, was schon existiert, aber noch nicht entdeckt wurde.

Individuell aber auch kollektiv

Tarot-Karten werden, trotz der intensiven, individuellen Nutzung, nicht nur für persönliche und private Deutungen verwendet: Viele Astrologinnen und Astrologen nutzen die Magie des Tarot, um noch genauere Informationen aus Sternbildern und planetarischen Bewegungen herauszulesen und wichtige bevorstehende, gesellschaftliche und politische Geschehnisse zu deuten. Darunter zu verstehen ist beispielsweise der angebliche, weltweite Umschwung in der Regierung und dem Patriarchat, der seinen Beginn im Januar 2020 finden wird und stark in Verbindung zum Klimawandel steht. Anhand planetarischer Bewegungen, ihrer energetischen Einflüsse auf unsere individuellen Persönlichkeiten, wie auch unsere Gesellschaft und Umgebung, werden Lösungen für größere Probleme gesucht oder auch Vorbereitungen auf wichtige Energiewandel getroffen. Das Verständnis, diverse Eindrücke, unterschiedliche Interpretationen und das angesammelte Wissen werden online geteilt und anhand von Kursen verdeutlicht, erklärt und untereinander gelehrt.

Eine Generation blickt in die Zukunft

Die Generation Z, die sich nicht nur mit den herkömmlichen Lebensabläufen und Normen zufrieden gibt, ihr Bewusstsein erweitert und eine neue, übersinnliche Erfahrung machen möchte, nimmt immer mehr Bezug zu Magick, Mystik und der Spiritualität. Sie zeigt Interesse an einer neuinterpretierten, modernen Form von Spiritualität und sehnt sich nach einer individuellen Glaubensrichtung, die modellierbar und unverbindlich ist. Sie hinterfragt die Normen und Werte der Welt und zeigt Interesse an einer alternativen Denkweise. Sie beschäftigt sich mit dem Einklang zwischen dem Verstand, dem Körper, dem Geist und der Seele und baut ein Vertrauen zu ihrer eigenen Intuition und ihren Urinstinkten auf. Die Gen Z möchte ihren Horizont erweitern, Neues dazulernen und die Welt, wie auch die systematische Struktur, verändern.

Neue Märkte der Spiritualität

Nicht nur die Gen Z sucht nach einem anderen Weltverständnis und eröffnet damit neue Sinn-Märkte, auch andere Generation folgen der Sehnsucht nach dem Mystischen und fühlen sich durch ein neues, ganzheitliches Gesundheitsverständnis zu unterschiedlichen, spirituellen und interkulturellen Praktiken hingezogen. Größere Unternehmen erkennen bereits das Potential einer neuen DIY-Spiritualität, springen auf den Zug auf und bedienen sich an diesem Wiederaufleben des Glaubens. Im Frühjahr 2018 präsentierte Gucci ihrer Schmuck- und Uhrenkollektion «The Fortune Teller». Swarovski reagierte ebenfalls auf den Hype und stellte daraufhin im Herbst 2019 gerade ihre «Tarot Magic» Kollektion vor. Auch mein Designprojekt, welches im Rahmen meines Bachelor-Studiums bei Trends & Identity an der Zürcher Hochschule der Künste entstanden ist, widmet sich der Wiederentdeckung der Spiritualität.

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Autorin: Jelena Planić

Jelena Planić ist Bachelor- Absolventin des Departement Design in der Fachrichtung Trends & Identity an der Zürcher Hochschule der Künste.


Zürcher Hochschule der Künste,
Departement Design,
Fachrichtung Trends & Identity,
Bachelor

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