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Stefan Baumann
Managing Partner STURMundDRANG
03.08.2022 | Lesezeit: 5 Minuten

CHANGING CULTURES MAGAZIN > SUD NEWS > Teil 1. Wie kultiviert man Verhaltensänderung?

Teil 1. Evolving Behaviors:

Verhaltensänderung kultivieren

Motivationsstudien zum Wandel des Konsumverhaltens. Es kann nicht so bleiben, wie es ist. Alles scheint gleichzeitig in der Wende: Die Arbeitswende, die Bildungs-, Mobilitäts-, Energie-, Agrar-, Gesundheits- und natürlich die Klimawende. Auch die Zeitenwende formt die Märkte und unsere Wirtschaft um. Wir sind mitten im „liminal space“, der Raum, in dem das Alte nicht mehr gilt und das Neue noch nicht. Die Fähigkeit, sich als Mensch, Marke oder Gesellschaft zu verändern, wird essenziell und zur permanenten Übung. Ob die kulturelle Verhaltenstransformation gelingt, hängt entscheidend damit zusammen, ob wir verstehen, wie sich Motivationen steigern und auch beibehalten lassen.

 

DIE KULTURELLE VERHALTENSWENDE

Viele Unternehmen entwickeln systemische Innovationen, um sich in die neue Normalität zu befördern. Daraus werden aber nur dann neue Märkte, wenn es gelingt, das Konsumverhalten mit zu evolvieren. Produkte, Services und Marken sollen somit nicht nur zum Kauf animieren, sondern stehen vor der Aufgabe, das Konsumverhalten und die Konsumkultur über alle Branchen hinweg umzuformen.

Im momentanen Konsumklima scheint sich z.B. bei vielen Konsumierenden die Not und Tugend eines „frugalen Konsumstils“ auszuformen. Und das als Bereicherung zu erleben. Die entscheidende Wende für viele Branchen ist also eine kulturelle Verhaltenswende. Es geht nicht darum, das Auto neu zu erfinden, sondern das Mobilitätsverhalten zu transformieren; es geht nicht darum, nachhaltig produzierte Fashion zu vertreiben, sondern das Besitzverhalten zu transformieren. Es geht nicht darum, Bio-Produkte ins Sortiment zu nehmen, sondern gleichzeitig das Ernährungsverhalten langfristig zu transformieren.

WENN MARKEN ZUR KULTUR WERDEN

Während die Gedanken zur Customer Experience Journey in den allermeisten Fällen bisher nur bis zum Kauf reichten, kümmern sich die Marken der neuen Generation vor allem um den Nutzungszyklus und erzeugen dabei Markenbindung und andauernden Konsumwandel. Ob es eine Marke geschafft hat, zu einer kulturellen Handlung zu werden, lässt sich immer am besten an unserem Wortschatz erkennen. Wenn Marken als Verben benutzt werden, dann ist es ihnen gelungen, eine Verhaltensweise zu markieren. „Googlen“, „kärchern“, „tindern“ sind solche Beispiele. Diese Marken besitzen ein Verhaltensscript im kollektiven Gedächtnis – sie sind lebendige Kultur.

 

WIE GEHT VERHALTENSKULTIVIERUNG?

In unseren Konsumstudien untersuchen wir das mit Zukunfts-Anthropologie und sozialer Systemlogik. Verhalten ist dabei nicht gleich Verhalten. Gewohnheiten, Routinen oder Rituale sind sehr unterschiedlich aufzubauen und zu lösen. Rituale sind mit kultureller Bedeutung aufgeladene Routinen, die wir uns bewusst aneignen, während Gewohnheiten im Unbewussten verankert sind und dort ein Eigenleben führen. Auch die Unterscheidung zwischen einem resultatorientierten Verhalten oder einem identitätsverändernden Verhalten ist sinnvoll: Wenn wir unser Verhalten an einem Resultat orientieren (z.B. das 1.5 Grad Ziel), dann mag das weniger motivierend sein, als sich selbst als die „Post-Milk Generation“ zu betiteln (wie es z.B. Oatly macht). Mit dieser neuen Identität wird ein gewünschtes Verhalten provoziert.

 

MOTIVATIONEN HINTER VERHALTEN VERSTEHEN UND DESIGNEN

In unseren Verhaltensmotivationsstudien geht es zum Beispiel darum, zu verstehen, wie sich die Arzt-Patientenbeziehung wandelt und welche neue Ökosystem-Chancen daraus entstehen. Oder wir untersuchen die sich wandelnde Erinnerungskultur und welche neuen Rituale des Abschiedes, Aufhörens und Gedenkens sich dadurch verbreiten. Für die Hamburger Schulbehörde haben wir die Veränderung der Lernkultur und die neue Rolle der Schulen im Familien-und Berufssystem durch das Ganztagskonzept beforscht, um die neuen Bedarfe an das Schulsystem zu identifizieren.

In allen diesen Studien geht es darum, in einer Kategorie die sich verändernden Haltungen, Motivationen und Ziele in relevanten Momenten zu verstehen, um das Verhalten der KundInnen zu erklären. Daraus können kulturelle Chancen aufgezeigt werden („Moments of Receptivity“) in denen Verhaltensinterventionen am besten motivierbar sind.

DER DREIKLANG FÜR DIE KULTURELLE VERHALTENSTRANSFORMATION:

Schritt 1. Verhalten im Kontext explorieren

Welches sind die relevanten Momente für den Kauf und Nutzungszyklus einer Produkt- oder Servicekategorie? Und wie verändert sich das Verhalten in der Kategorie durch neue Technologien (z.B. e-mobility, Thermomix) oder sozio-kulturelle Trends (z.B. Pandemie)?

Mit der Lead-User-Ethnographie tauchen wir in das neue Verhalten „in vivo“ ab, um Konsum- und Nutzungssituationen beobachten und befragen zu können. Die Lead User helfen uns dabei, zu erkennen, wie neue Verhaltensweisen keimen und die neuen sozialen Praktiken schon erprobt werden. Ziel dieser systemischen Verhaltensforschung ist es, eine Karte der relevanten Transformationsmomente im Kundenverhalten zu skizzieren, um die Kräfte in den relevanten Momenten zu erkennen, die den intendierten Wandel verhindern oder unterstützen. Es werden somit die Akupunkturpunkte und Treiber für die Veränderungsenergie und den tatsächlichen Verhaltenswandel der Lead User identifiziert.

Schritt 2. Kulturelle Jobs und Rollenerwartungen identifizieren

Klar ist, dass Veränderung von Menschen und Systemen erstmal nicht gewollt ist – Marken aber schon immer von der Veränderung der Märkte gelebt haben. Wenn Marken also Teil der Veränderung bleiben und sie sogar gestalten wollen (Purpose-Orientierung), dann sollten neue Haltungen und Motivationen und damit einhergehende Ziele verstanden werden. Aus der ethnographischen Forschung heraus wird klar, welche kulturellen Jobs und Rollenerwartungen an Marken, Produkte und Services gestellt werden, um die Verhaltenstransformation zu motivieren.

Schritt 3. Interventionsmöglichkeiten designen

Wie kann die Marke an den relevanten Momenten ansetzen und wirksam werden? Im dritten Schritt hinterlegen wir die verhaltensverändernden Chancenfelder für die Marke mit einem Interventions-Steckbrief. Ausgehend von einem gewünschten Entwicklungsverhalten, das sich der Konsumierende wünscht, werden Barrieren, die es zu überwinden und Motivationstreiber, die es anzuspielen gilt, aufgezeigt. Wir erforschen und diskutieren auch die Möglichkeiten über den umgebenden Kontext (Raum, Situation), um Veränderungs- und Entscheidungsimpulse zu setzen.

Letztendlich geht es immer darum, mit dem verändernden Verhalten ein anderes Beziehungsverhältnis zum Produkt, Service oder der Marke zu entwickeln und eine gemeinsame Kultur zu entwickeln.

In einer Studie für einen Versandhändler konnten wir zum Beispiel den „Moment des Auspackens“ auch bei den selbstbestellten Produkten als Selbstbeschenkung sehr gut erkennen. Viele Emotionen waren im Spiel, die das anschließende Beziehungsverhalten und die Retourquote stark beeinflussen konnten. Hier gab es somit emotionale und soziale Interventionschancen in der Markenbeziehung.

So beginnen und gelingen Wenden im Verhalten und im Zusammenhang mit Marken, die aus einer technologischen und krisenhaften Transformation eine kulturelle, positive Transformation schaffen. Sie führen zu sozialen Kipppunkten, die nicht nur ganze Kategorien und Märkte, sondern ganze Gesellschaften transformieren. Wir können auch anders.

 

Wie könnte Ihre Marke Verhalten transformieren?

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Autor: Stefan Baumann

Der studierte Wirtschaftspsychologe Stefan Baumann ist strategischer Transformationsforscher für systemische Verhaltensänderungen. Als Gründer der Agentur STURMundDRANG erforscht und entwickelt er mobilisierende und verbindende Narrative für die Evolution von Menschen, Organisationen und Communities. Sein Cultural-Thinking-Ansatz verfolgt eine Praxis, die wirtschaftliche Transformation als einen menschlichen und gesellschaftlichen Haltungs- und Verhaltenswandel versteht. In seinen Projekten hilft er Unternehmen und Marken, die eigene Position, Relevanz und Mission in einem sich ändernden Marktkontext zu erneuern. Als gefragter Speaker und Autor veranschaulicht er in seinen Studien, wie kultureller Wandel ein neues Konsumenten- und Mitarbeiter:innenverhalten hervorbringt.

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